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Ente:
Heute begrüße ich – wie immer unter Pseudonym – Prof. Dr. Klöbner (we/they) und Dr. Müller-Lüdenscheid (we/they) vom Workshop frei+sicher.
An dieser Stelle kurz der Hinweis: viele auf meinland.eu entgendern auf a° für alle. Wir sind uns bewusst, dass das ebenso wenig perfekt ist, wie alle anderen Formen, es kommt aber von Herzen.
Zu unserem heutigen Thema.
Freiheit oder Sicherheit? Warum Presse und Politik zwei Grundwerte gegeneinander ausspielen, die eigentlich zusammen gehören.
Worum geht es in eurem Workshop?
Dr. Müller-Lüdenscheid:
Wir hinterfragen, warum Freiheit und Sicherheit in den Medien und von Politikan° immer wieder gegeneinander gestellt werden. Wenn wir uns in kleinem Kreis unterhalten, dann wird immer sehr schnell klar, dass die Deutschen beides wollen.
Prof. Dr. Klöbner:
Niemand will zurück in die Gurken-Zeit der DDR, wo Reisen ein Privileg der Rentna° waren. Und niemand, absolut niemand, will Gewalt.
DML:
Aber sobald sich der Gesprächskreis erweitert, entstehen zwei tief zerstrittene Gruppen. Die Gruppe Freiheit scheint jegliche Sicherheitsmaßnahmen abzulehnen. Betonung auf scheint. Und die Gruppe Sicherheit scheint jegliche Freiheit im Keim ersticken zu wollen. Auch hier die Betonung auf scheint.
PDK:
Im Workshop gehen wir der Frage nach, wie diese Gräben entstehen und warum die Menschen nicht einfach zusammenarbeiten, um sowohl Freiheit als auch Sicherheit unter einen Hut zu bringen.
Ente:
Ginge das denn?
PDK:
Es ginge nicht nur, es ist ja aktuell der Alltag. Ohne Zweifel könnten sowohl Freiheit als auch Sicherheit gesteigert werden. Im weltweiten Vergleich hat Deutschland das aber gut in Balance.
Ente:
Ihr findet also, Deutschland ist sowohl frei als auch sicher. Wie könnt ihr ein Land als sicher bezeichnen, in dem es laut dem ehemaligen Kanzlerkandidaten der Union tägliche Gruppenvergewaltigungen gibt? Wie kann irgendwer ein Land als sicher bezeichnen, in dem zwei-jährige Kinder auf offener Straße ermordet werden?
DML:
Das sind zwei sehr wichtige Fragen. Die Antwort darauf ist schwer und schmerzhaft. Für Betroffene können alle Versuche, Taten zu erklären, sehr schnell wie Hohn klingen; wie empathielose Beleidigungen.
Ich möchte daher eine kurze Erklärung voranstellen.
Wenn wir über konkrete Taten sprechen, über konkrete Opfer°, über Menschen, deren Leben ausgelöscht wurde oder von einem Moment auf den nächsten für immer mit Schmerz beladen wurde, dann sollten wir da ganz in der Empathie gegenüber den Betroffenen° bleiben. Wir sollten Solidarität zeigen, Unterstützung anbieten und vor allem zuhören.
PDK:
Betroffene° brauchen niemanden, der sie mit Floskeln überschüttet oder ihnen hohle Versprechungen macht.
Betroffene° brauchen auch niemanden, der ihr Leben und Leid in einer Werbekampagne gegen politische Gegner ausbeutet.
DML:
Wenn wir lernen wollen, wie wir Betroffene° unterstützen können, müssen wir zuhören. Das wirkt auf viele Menschen passiv. Viele Menschen wollen mehr tun, wollen aktiv werden. Gut gemeint ist aber nicht immer auch gut gemacht. Am Ende werden Betroffene° – da zählen für uns Angehörige°, Freundae° und Zeugen° ausdrücklich mit dazu – am Ende werden Betroffene° durch sinnlosen Aktivismus oft nur noch zusätzlich traumatisiert.
Lösungen, wie ähnliche Taten in Zukunft verhindert werden können, finden wir nicht im Gespräch mit Betroffenen°. Lösungen finden wir in sachlichen Analysen. Eine Sachlichkeit, die Betroffene° wiederum verletzen kann.
PDK:
Wer schonmal einen Polizeibericht oder ein Gutachten in eigener Sache gelesen hat, der hatte vermutlich eine Gänsehaut. Es kann sich entmenschlichend anfühlen, eigene Erlebnisse, die sich in starken Bildern und Emotionen ins Gedächtnis eingebrannt haben, auf kühle Worte und Fachausdrücke reduziert nachzulesen. Kein Text kann diesen Bildern und Emotionen gerecht werden. Oft holen solche Texte die Bilder und Emotionen aber wieder ins Bewusstsein.
DML:
Wir brauchen also sehr viel Empathie, um Betroffene° einzubeziehen, ihnen aufrichtig zuzuhören; und wir brauchen eine sachliche Analytik, um zu verstehen, was zu einer Tat geführt hat. Solange wir nicht verstehen, warum eine Tat begangen wurde, können wir keine weiteren, vergleichbaren Taten verhindern.
PDK:
Bisher konzentrieren wir uns zu sehr darauf, wer eine Tat begangen hat. Wir kratzen dann allenfalls noch an der Oberfläche und fragen uns, wie er an den Tatort kommen konnte; wie er sich die Tatwaffe beschafft hat.
DML:
Fragen nach dem Warum, werden von vielen Menschen abgelehnt und abgebügelt. Oft wird die Frage nach dem Warum als Entschuldigung der Tat interpretiert. Sicherlich gibt es auch immer jemanden, der Taten entschuldigen will. Analystaen° brauchen aber eine Antwort auf das Warum, um dazu beizutragen, künftige Taten zu verhindern.
Und damit jetzt zurück zu deinen beiden Fragen.
Wenn wir darüber beraten, wie wir Gewaltverbrechen verhindern können, müssen wir die Emotionen außen vor lassen. Emotionen sind wichtig, um Betroffene° zu unterstützen, aber Emotionen sind kein guter Ratgeber. Wenn unsere Gedanken in Trauer, Wut, Schock oder Ekel hängen, können wir nicht rational denken.
Wir brauchen eine strategische Herangehensweise.
Wenn wir das machen, stellen wir fest: Die meisten Vergewaltigungen werden von deutschen Tätern begangen. Grenzen zu schließen, ist damit eine sinnlose Aktion, weil die Täter ja bereits im Land sind.
Das können viele Menschen nicht nachvollziehen, weil die Presse ein anderes Bild zeichnet, aber da sind wir wieder im Bereich der Emotionen.
PDK:
Bei ausländischen Tätern richtet sich die Wut gegen den Ausländer. Bei deutschen Tätern wird der Frau schnell eine Mitschuld gegeben und es fallen misogyne Kommentare zu Bekleidung oder Verhalten der Frau.
DML:
Strategisch drängt sich auf, Vergewaltigungen schwerer zu bestrafen. Viele Täter können sich bei der ersten, manche auch noch bei der zweiten oder dritten Tat, mittels Bewährungsstrafen um spürbare Konsequenzen drücken. Diese Maßnahme müssten allerdings primär männliche, deutsche Täter tragen, was politisch augenscheinlich nicht gewünscht ist.
PDK:
Das ist übrigens bei nahezu allen Verbrechen so. Wirksame Maßnahmen treffen alle Täter und das sind mehrheitlich deutsche Männer.
DML:
Da härtere Strafen politisch nicht gewünscht sind, bleibt der Bereich Prävention. Hier wäre der Ansatz bei Bildung und Erziehung. Zwei Bereiche, die seit vielen Jahren mit knappen Mitteln und veralteten Strukturen belastet sind.
Ente:
Sicherheit ist also keine Frage von Grenzen und Mauern, sondern von Strafandrohung, Bildung und Erziehung? Das passt aber doch nicht zu den Messerangriffen auf Kinder. Das sind nach den Stimmen aus Selbsthilfegruppen von Betroffenen° überwiegend ausländische Täter mit psychischen Störungen.
PDK:
Die Taten von psychisch gestörten Tätern sind besonders tragisch. Hier würde es natürlich helfen, die Grenzen dichtzumachen. Wenn wir niemanden mehr ins Land lassen, kann auch kein psychisch gestörter Täter mehr reinkommen.
DML:
Es können dann aber auch keine Ärztae°, keine Krankenpflega°, keine Busfahra°, keine Erntehelfa°, keine Ingenieurae° und keine Programmieraer° mehr reinkommen.
Eine Zeit lang geht das gut.
Dann wiederholt sich die DDR.
Der Staat würde bestimmen, wer welchen Beruf auszuüben hat. Das würde vermutlich nicht allen gefallen, weshalb die geschlossenen Grenzen dann auch die eigenen Bürga° im Land halten müssten.
PDK:
Ein hoher Preis.
DML:
Sinnvoller wäre es, die Einreise an einen Gesundheits-Check zu koppeln. Ein sehr sensibles Thema, welches viel Fingerspitzengefühl, nachhaltige Strukturen, viel Personal und ein hohes Budget braucht. Der Vorteil wäre: Es gibt Millionen von Deutschen, die sich eine derartige Struktur der psychischen Gesundheitsvorsorge für sich selbst wünschen.
PDK:
Ein starkes System für psychische Gesundheit käme also primär den Deutschen selbst zugute. Kostet aber halt mehr, als der Schrei nach Zäunen.
DML:
Hinzu kommt, ein derartiges System kann nur funktionieren, wenn das Erkennen einer psychischen Störung nicht mit einer Abweisung sanktioniert wird. Es muss dann eine Behandlung bereitgestellt werden. In seltenen Fällen würde das die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt bedeuten. In den meisten Fällen wäre es eine medikamentöse Behandlung mit begleitender Therapie.
Mal ganz abgesehen davon, dass eine würdevolle Gesundheitsversorgung für alle Menschen ein Grundrecht sein sollte; ganz abgesehen davon, dass wir sowohl das erforderliche Wissen als auch die Möglichkeiten haben, das Leben von Millionen von Menschen glücklicher und gesünder zu gestalten; und auch abgesehen davon, dass wir damit einen relevanten Anteil schrecklicher Taten wirksam verhindern könnten, sprechen auch wirtschaftliche Gründe für den Aufbau des Systems.
PDK:
Die überwiegende Mehrzahl der Menschen mit psychischen Störungen leben durch die passende Unterstützung ein normales Leben, gehen einer geregelten Arbeit nach, zahlen Steuern und Sozialabgaben. Kurz: sie sind wertvolle Mitglieder° der Gesellschaft.
DML:
Das System ist personalintensiv. In den kommenden Jahren werden viele Arbeitsplätze in veralteten Geschäftsfeldern wegbrechen. Da kann kein Politiker etwas gegen machen, das ist der Lauf der Zeit, der Wandel in der Welt. Das Gesundheitssystem kann vielen Menschen einen krisensicheren Arbeitsplatz bieten.
PDK:
Es fehlt nur der politische Wille.
Ente:
Und die Finanzierung?
PDK:
Wo ein Wille, da ein Weg.
Sobald es den politischen Willen gibt, finden sich auch die Mittel.