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@ententalk
Unsere Redaktion hat mit @winter und @xiaodan von der GSU, der Gendersensiblen Schüla° Union, darüber gesprochen, woher das Entgendern auf -a° für alle kommt und wie ernst es gemeint ist.
Das Ergebnis:
ein Email-Interview über Sichtbarkeit, Respekt und Humor
Lesezeit: etwa 7 Minuten
@redaktion
Entgendern auf -a° für alle bedeutet, ihr ersetzt Schüler*innen und Lehrer*innen durch Schüla° und Lehra°. Anstatt das weibliche Geschlecht hinzuzufügen, kürzt ihr die Geschlechterendung weg.
Wie kommt man auf sowas?
@winter
Diesen Gedanken hatten schon mehrere Menschen.
So halbwegs bekannt geworden ist damit Hermes Phettberg. Phettberg war ein österreichischer Moderator und Multitalent, der leider im Dezember 2024 verstorben ist. Seit 1992 hat er eine wöchentliche Kolumne im Falter geschrieben und dort eben entgendert, allerdings auf -y, wie Arzty.
@xiaodan
Als Söda dann 2024 in Bayern ein Genderverbot erlassen hat, kam irgendjemand auf die Idee, ihn beim Wort zu nehmen und künftig alles zu entgendern. Aber Schüly und Lehry klang nicht nur ungewohnt – was gut war – sondern auch albern – was gar nicht gut war.
Wir wollten ja nicht ausgelacht, sondern ernstgenommen werden.
Irgendwer meinte dann im Scherz, wir sollten einfach auf -a° für alle entgendern. Da könnte man eine Pressekonferenz von Söda und Eiwanga nehmen und mit entgenderten Untertiteln versehen, weil die beiden das Wort ‘Bürger’ ja wie ‘Bürga’ aussprechen.
@redaktion
Ernstgenommen werdet ihr aber auch damit nicht immer. Mir sind da jedenfalls schon einige hämische Kommentare untergekommen.
@winter
Sprache ist ein sensibles Thema. Bei vielen Menschen rütteln wir an den Grundfesten ihrer Überzeugung. Für die gibt es Mann oder Frau, gut oder böse, Himmel oder Hölle. Die wollen sich nicht mit dem Thema beschäftigen und reagieren aggressiv, wenn die Sprache sie dazu zwingt, das Thema wahrzunehmen.
@xiaodan
Wir bekommen aber auch sehr viel positives Feedback. Gerade von trans Menschen. Das Gendern mit Gendersternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt reduziert diese Gruppe in vielen Augen auf ein Satzzeichen. Beim Binnen-I wird das trans sogar ganz verschluckt und es stehen wieder nur die männliche und weibliche Form da.
@winter
Tatsächlich denken viele, bei diesen klassischen Formen des Genderns ging es nur darum, Frauen sichtbarer zu machen. Die stecken das Thema in die Schublade Feminismus.
Viele Frauen sagen, sie bräuchten diese Verschandelung der Sprache nicht, sie fühlten sich mit dem generischen Maskulin mit angesprochen. Die sind so in ihrer binären Gedankengewalt gefangen, so sehr auf Mann-Frau-Denken geprägt, die begreifen nicht, dass es trans Menschen gibt. Entsprechend ist da keinerlei Bewusstsein, wie schmerzhaft es ist, sich durch Worte wieder und wieder von der Gesellschaft ausgeschlossen und abgelehnt zu fühlen.
@redaktion
Wie kann ich mir das Entgendern auf -a° für alle im Alltag vorstellen?
@xiaodan
Erfreulich einfach.
Gesprochen, in dem das -a° klarer betont wird. Bürgaaah, statt Bürger.
Geschrieben wollen wir bewusst keine Regeln vorgeben. Sprache hat ja die Kraft, sich selbst zu entwickeln. Wir setzen also nur den Gedanken in die Welt und überlassen es der Zeit, daraus eine neue Grammatik zu bilden.
@winter
Es hängt auch immer vom Wortstamm ab, was Sinn macht und vernünftig klingt.
1 Bürga°, 2 Bürga°
1 Beamta°, 2 Beamtae°
Bei Worten wie Arzt, bei denen der Wortstamm gleichzeitig das generische Maskulin ist, gibt es mehrere Ansätze.
Arzt°
Arzta°
Arzty°
Arzti°
Uns gefällt am besten, diese Worte generell im Plural zu verwenden: Ärztae°.
@redaktion
Wofür steht der Kringel, das ° hinter dem a?
@winter
Wenn du das Zeichen für männlich ♂ und das Zeichen für weiblich ♀ miteinander vergleichst, dann bestehen beide aus einem Kreis, an den mal dies, mal das angefügt wird.
Nur der Kreis allein, verrät nicht, um welches Geschlecht es geht, ist also quasi entgendert.
Mit dem Argument war es nur noch ein kleiner Schritt, bis wir die Tastatur-Hersteller dieser Welt dazu überreden konnten, dem Entgendern-auf-a-Kreis einen Platz auf den Tastaturen einzuräumen.
@redaktion
In echt?
Gibt es den auf allen Tastaturen?
@xiaodan
So gut wie.
Allerdings nicht dank unseres unermüdlichen Einsatzes für eine gendersensible Sprache. Den Kreis verdanken wir Anders Celsius, der 1742 die Skala von kochendem zu gefrierenden Wasser in 100 Grade unterteilt hat.
Der Kreis ist das internationale Zeichen von Grad und weil Menschen das Wetter wichtig ist, weil Menschen gerne kochen, weil also immer und überall über Temperaturen geschrieben werden muss, findet sich der Grad-Kreis auf fast allen Tastaturen.
@redaktion
Wie ernst ist euch das Thema?
@winter
Ernster, als es klingt.
Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt.
@xiaodan
Wir haben auch noch eine Eskalationsstufe.
Aktuell nutzen viele Pluralformen wie «die Schüla°» oder maskuline Artikel wie ein Schüla°. Dadurch wird das Entgendern weniger sichtbar und nahezu nicht mehr hörbar.
@winter
Wir haben also auch die Artikel entgendert.
- da° Schüla°
- a° Schüla
- oder, sichtbarer: eina° Schüla°
«Eina° Schüla°» provoziert aber mehr, als uns lieb ist. Wir wollen gedankliche Stolpersteine setzen, keine Schützengräben ausheben. Daher setzen wir meist auf den fast unhörbaren Plural.
@redaktion
Was wünscht ihr euch vom Entgendern auf -a° für alle?
@xiaodan
Sichtbarkeit für trans Menschen.
@winter
Vielleicht sogar mehr als Sichtbarkeit. Eine herzliche Umarmung. Eine aktive Einladung, mitzureden. Mitzugestalten.
@redaktion
Gendern und trans sind zwei Themen, denen besonders viel Hass und Ablehnung entgegenschlägt. Seht ihr euch eher einer aussichtlosen Aufgabe gegenüber, wie Sisyphos; oder kämpft ihr gegen eine Illusion, wie Don Quichote; oder seht ihr euch wie Frodo Beutlin, dessen Mühen und Leid sich am Ende dann doch auszahlen?
Und wie schützt ihr euch vor dem Gegenwind?
@xiaodan
So richtig passt eigentlich keines deiner Beispiele.
Wir sehen auf jeden Fall eine Chance, dass wir etwas bewegen. Wir haben 2024 gesagt: wenn wir nur einen Menschen zum Nachdenken bringen, hat es sich schon gelohnt. Mittlerweile haben wir sicher mehr als einen Menschen zum Nachdenken gebracht. Für uns fühlt sich das nach Erfolgskurs an.
Außerdem macht das Entgendern auf -a° keine Mühe. Wir riskieren nichts. Wir investieren auch nicht wirklich etwas. Sicherlich verbringen wir viel Zeit mit Diskussionen, aber das sind ganz überwiegend bereichernde Gespräche mit tollen Menschen.
@winter
Weil das Entgendern auf -a° in vielen Fällen die Silbenzahl nicht verändert – sowohl Schüla° als auch Schüler hat jeweils zwei Silben, Schüler*innen hat vier – hoffen wir, dass es besser angenommen wird.
Sprachlich ist kürzen immer leichter umzusetzen als längermachen.
@xiaodan
Ein gedanklicher Stolperstein ist wichtig, damit das Thema bewusst wird. Wir wollen die Lesa° und Zuhöra° aber nur ein klein wenig stolpern lassen. Wir wollen niemand gedanklich zu Fall bringen.
Wir wollen zum Nachdenken anregen.
Nicht zwingen.
Wenn sich die Silbenzahl ändert, ändert sich aber auch das Versmaß. Die meisten Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass auch alltägliche Texte wie Zeitungsartikel und Rundschreiben ein Versmaß haben können. Gängige Floskeln sind uns mittlerweile so vertraut, wie bewusst auswendig gelernte Gedichte. Da werden dann ein, zwei zusätzliche Silben als störend wahrgenommen. Als Zwang.
@redaktion
Welche Aktionen habt ihr geplant, um dem Thema Entgendern mehr Reichweite zu verschaffen?
@winter
Zuallererst einmal sind wir #meinLand sehr dankbar, das Pilotprojekt Entgendern auf -a° gestartet zu haben.
Aktuell suchen wir Autoraen°, die Kurzgeschichten oder auch Romane auf -a° entgendern. Falls du dich auf das Experiment einlassen willst: über dieses Formular kannst du die GSU, Gendersensible Schüla° Union erreichen.
Zusätzlich arbeiten wir an einem Browser-Plugin, welches Texte in die vom Lesa° bevorzugte Form gendert. Falls du in der Lage bist, so ein Plugin zu coden: über dieses Formular kannst du die GSU, Gendersensible Schüla° Union erreichen.
@morgenjournal
Wir sind der GSU, der Gendersensiblen Schüla° Union, sehr dankbar für die Inspiration. Das Thema Gendern sorgt intern seit Jahren für belastende Diskussionen.
Entgendern auf -a° für alle hat uns frischen Wind und neue Perspektiven gebracht.